Abschied von der Perfektion oder 7 Gründe nicht zu verzweifeln, wenn der Garten einmal aus dem Ruder läuft. Mit Qi Gong

IM MAI IST DIE WELT NOCH IN ORDNUNG
Jedes Jahr zur gleichen Zeit das gleiche Dilemma. Im Wonnemonat Mai das große Gartenglück, im Juni folgt auf den Fuß der drohende Untergang. 

HALBZEIT 

Ein erster, wenn auch leiser Anflug von Ermattung mag bereits aufgekommen sein, und man stellt sich insgeheim die Frage, was noch möglich ist. Ob heuer noch alles zu schaffen sein wird, was bisher nicht erledigt wurde: Neupflanzungen, notwendig gewordene Schnitte oder projektierte Gartengestaltungsmassnahmen. Ideen, die seit geraumer Zeit in der gedanklichen Warteschleife hängen, sich dort endlos drehen und einfach noch nicht den perfekten Moment zum Ausstieg und zur Realisierung gefunden haben.

Dann kommt der Juni, friedlich und unaufgeregt und doch brandgefährlich. Nicht ganz grundlos, denn Juni bedeutet auch immer, egal wie man es dreht und wendet, Halbzeit im Jahr. Im Gartenjahr.

Dabei schien die Welt im Mai noch ganz in Ordnung. Die Pflanzen wuchsen planmäßig an Ort und Stelle, der Rasen war saftig grün und die ersten Stauden blühten um die Wette. Der ganze Garten war transparent und noch gut überschaubar, sodass selbst das kleinste Unkräutlein noch erspäht werden und je nach Gärtnerart bei Bedarf gezupft oder geerntet werden konnte. Für ein gepflegtes Gartenbild ebenso wie für die gesunde Küche mit Grünzeug aus eigenem „Anbau“. 

​So wurde es Tag um Tag grüner und bunter, die Pflanzenwelt legte an Tempo zu und machte uns alle zu Happy Gardener.
Während dieser köstlichen Tage der Gartenglücksseligkeit entspannt selbst der nervöseste Gärtner und lässt Garten und Zügel etwas lockerer. Insgeheim wohl wissend, dass er irrt und dennoch in der Hoffnung, es möge ewig so weiter gehen.

WIE IM DSCHUNGEL

Dann kommt der Juni und mit ihm geht es erstmals bergab. Das Blatt beginnt sich zu wenden. Gezählt die Tage, an denen man das fabelhafte Gefühl hatte, den Garten im Griff zu haben. Ungezügeltes Chaos breitet sich aus wie eine Schlammlawine, die alles unter sich einnimmt und verwandelt manchen Garten zum unwirtlichen Dschungel. So auch meinen.

Die Farben der Frühblüher verblassen langsam und die noch vor wenigen Tagen prachtvoll leuchtenden Blumenbeete hinterlassen beim Betrachter einen verwaschenen Eindruck. Die Farben scheinen sich aufzulösen, laufen ineinander über und verschwimmen, als hätte man sie zu heiß gewaschen. Blütenköpfe sinken zu Boden und liegen parterre, Sträucher verlieren die Fasson und ganze Hänge drohen unter meterhohem Gestrüpp unterzugehen. Wege verschwinden streckenweise und der Rest endet im Nirwana. Bäume sind entstellt und sehen aus, als hätte Christo persönlich sie in ein Netz verwoben und eingehüllt. Der Gespinstmotte sei Undank.

Auch mein Sorgenbaum, die Traubenkirsche ist davon betroffen und die Sorge groß, das Gespinst könnte sich weiter auf die umliegenden Bäume ausbreiten. Doch laut Expertenmeinung bedeutet diese Spinnerei weder eine Gefahr für den betroffenen Baum selbst, der danach wieder austreibt, noch für die umliegenden Baumwelt. Möge die Expertise Recht behalten!

Pflanzen, die bis vor kurzem noch im gärtnerischen Rampenlicht standen, gehen mittlerweile im Dickicht unter. Bereits in der Vergangenheit ward manch bedauernswertes Grünzeugs daraufhin nie mehr gesehen. Selbst schillernde Rosen wie die Heidi Klum scheinen jetzt ihren Zenit überschritten zu haben. Jetzt bleibt mir nur noch darauf zu bauen, dass sie das so nicht hinnehmen und alles daran setzen wird, auch künftighin zu zeigen, welch Schönheit in ihr schlummert.

DER VERLASSENE GARTEN

Die Moral von der Geschicht‘: Verlasse deinen Garten nicht. Denn, wehe dem, der seinem Garten im Mai den Rücken gekehrt und so die erste rauschende Blütenphase verpasst hat. Den Hut an den Nagel gehängt hat, wenn auch nur für sehr, sehr kurze Zeit. Selbstverständlich wird ausgerechnet dann geblüht, dann nämlich, wenn man zwischendurch kurz Luft holen und neue Kräfte sammeln will. Auswärts! 

​Ein ewig wiederkehrendes Dilemma, dessen Lösung nur in einem 365 Tage blühenden Garten liegen kann. Oder aber man bleibt eben gleich zu Hause und rührt sich nicht vom Fleck. Mein Garten scheint sich einen Spaß daraus zu machen, mich hinter den Gartenzaun zu zwingen. Und zugegeben, meist gebe ich ihm nach.

WIE AUS ERNST WIEDER GARTENSPASS WIR

Noch ist nicht aller Tage Abend und zum Glück gibt es genügend einfache wie nützliche Mittel und Wege, sich gar nicht erst aus der Gartenbahn werfen zu lassen und falls doch, das Ruder rechtzeitig wieder herumzureißen. Unkompliziert zu gestalten, nachzujustieren und auszubessern. Und einfach zu genießen!

KRAUT & RÜBEN 

  1. Wenn gerade wenig blüht, denkt man sich das Unkraut schön. Lässt es blühen und macht es zu dem, was es für viele Naturfreunde schon ist, zu appetitlichen und gesunden Wildkräutern. Der Rest, der bleiben darf, kann durchaus auch zu einem harmonischen Gartenbild beitragen. Mein Garten versucht sich gerade in einen weißen Garten zu verwandeln, zieht alle Register und täuscht mithilfe blühenden Giersches üppige Gartenblüte vor. Wer dieser List nicht auf den Leim gehen will, pflanzt Buntes nach und schon kehrt wieder frischer Wind in den Garten zurück und ein rosiger Hauch auf die vor Schreck erblassten Wangen.
  2. Wenn Unkräuter doch irgendwann in der Pool Position und deutlich in der Überzahl sind, lässt sich mit konzentriertem Unkrautjäten die Gartenwelt wieder in Ordnung bringen. Der Garten bekommt seine ursprünglichen Konturen wieder und zurück bleibt ein gutes Gefühl, sich selbst und dem Garten Gutes getan zu haben. Gut aufgeräumt und Ordnung geschafft zu haben. Manch ein Magic Cleaning Anhänger soll sogar schon dem Unkrautjäten hoffnungslos verfallen sein. Marie Kondo lässt grüßen.
  3. Wenn Wind und Wetter unseren Pflanzen übel mitspielt und diese in die Knie zwingt, lassen sich zu schwer gewordene und umgeknickte Blütenköpfe gut an Hölzern hochbinden. Meine erste Wahl dafür sind Bambusstäbe, die in meinem Garten überreichlich vorhanden sind. Ganze Zäune, Zelte oder Gartenmöbel ließen sich aus diesem Überangebot herstellen. Mittlerweile würde ich jedoch vom Setzen der teuflisch tiefwurzelnden und raumergreifenden Rohre nur um des nachhaltigen Materials wegen abraten. Zurecht geschnittene Äste leisten die gleichen Dienste und der Einsatz ist deutlich geringer und vor allem wesentlich sicherer. 
  4. Wenn die Gartenarbeit zu vereinnahmend und daher belastend zu werden droht, machen wir aus der Arbeit ein Spiel. Gespielt wird, wann und wie es uns gefällt. Eine, zwei oder mehrere Runden pro Partie. Was wir uns leisten können, denn der Garten läuft nicht davon. Nicht nur für Newcomer eine große Herausforderung, denn Geduld ist nicht jedermanns Sache. Doch genau das fordert uns der Garten ab und Gelassenheit, Ruhe und Beharrlichkeit sind unsere besten Begleiter auf dem Weg zum grünen Paradies. Immer im Spiel mit der rücksichtslosen Natur. Mit Wind und Wetter und aggressiv  invasiver Fauna als Gegenspieler. Ein starkes Match.
  5. Wenn der Rasen auf der anderen Seite des Zaunes immer grüner ist, dann mag das nur eine Metapher dafür sein, dass der Garten egozentrisch, eitel und prätentiös ist. Uns vor sich her treibt, statt sich uns zu fügen. Und doch ist rettungslos verloren, wer einmal einen tiefen Zug Gartenluft geschnuppert hat. 
  6. Wenn der Garten zu dunkel wird, hilft nur die Schere. Gelichtet wird am besten nur so viel, dass der Sichtschutz weitgehend erhalten bleibt. Denn ein guter Schnitt ist einer, den man auf den ersten Blick gar nicht sieht. Dabei wird nach der nach der goldenen Schnittregel zu Werke gegangen: Wachstumsschnitt bis Juni und ab dann Erhaltungsschnitt. Lichte Kronen bieten den Vorteil, dass sie besser abtrocknen und so Pilzbefall und anderen Krankheiten vorgebeugt werden kann. Um zu ebener Erde Licht ins Unterholz zu bringen und dieses leuchten zu lassen, sind Funkien ideal. Mit ein paar dieser lichtspendenden Schattenblüher kommt gleich Bewegung ins Dunkel und auch in Gesellschaft wie mit Rhododendren lassen sich attraktive Effekte erzielen.
  7. Wenn die Hecke plötzlich schütter wirkt, lässt sich mithilfe eines kleinen Tricks eine optisch ansprechende Korrektur vornehmen. Mit einem farblich passenden Heckenblüher, wie einem Pfeifenstrauch oder Sommerjasmin, verschwindet die löchrige Struktur und die Hecke kann sich  derart kaschiert und ohne Zeitdruck gut erholen und regenerieren. In frischer Optik. Freestyler versetzen bei Nachwuchs oder Nichtgefallen in der nächsten Saison, ohne mit der Wimper zu zucken.

ABSCHIED VON DER PERFEKTION

Wann immer der Garten zu entgleiten droht und die Dimension eines Elefanten annimmt, ist es sehr wirkungsvoll, dennoch entspannt ans Werk zu gehen. Auch ohne 7/24 zugange sein zu müssen. Trotz aller Widrigkeiten, die das erfolgsorientierte Gärtnerherz erschüttern.

Dabei hat es sich bewährt, die Gartenarbeit in kleine Portionen aufteilen, wie ein gutes Lernprogramm und dieses ebenso beherzt wie lustvoll abzuarbeiten. Mein ganz persönlicher HerzensTipp ist es, sich als Ausgangspunkt einen Gartenraum zu schaffen. Virginia Woolfe wusste um die Bedeutung eines „ Zimmer für mich allein“. So ein Gartenzimmer oder Plätzchen, selbst wenn es noch so klein sein mag, lässt sich zum Gardeners Headquarter gestalten, entspannt, beruhigt, hebt die Stimmung und lässt aus dieser nicht nur strategischen Position heraus neue Gartenideen und Gedanken sprudeln. Aus derart aufgeräumter Lage und Stimmung macht selbst das größte Chaos Spaß, verliert seinen Schrecken und lädt ein zu einer neuen, spannenden Runde Garteln. 

​Last but not least sollte man bedenken, dass der Garten sowieso seinen eigenen Gesetzen folgt und immer wieder aufs Neue Gestalt annimmt. Nischen, Ecken, Wege, alles entwickelt sich auch ohne unser Zutun unentwegt weiter, auch wenn es noch so  verlockend ist, alles bis ins kleinste Detail durchzuplanen.

DIE SPRUDELNDE QUELLE

Zur ganzheitlichen Unterstützung dieses Laissez- faire Gedankens mögen ein paar Übungen aus der TCM, der traditionellen chinesischen Medizin beitragen. Denn wo, wenn nicht im Garten fühlen sich solche Übungen am besten an? Barfuß auf der Erde.

Bei einer dieser Übungen geht es darum, einen Akkupunkturpunkt auf der Fußunterseite, die sogenannte sprudelnde Quelle, zu aktivieren. Über diesen Punkt wird, sobald er mit dem Boden in Berührung kommt, Energie aufgenommen und gleichzeitig negative Gefühle an die Erde abgegeben. Eine rundum überzeugendes Argument und garantiert einen Versuch wert. 

Sollten Sie jetzt einen solchen wagen wollen, finden Sie hier eine Abfolge an Mini Qi Gong Übungen mit Anleitung zum Ausprobieren.

Viel frische Energie!

https://youtube.com/watch?v=_KGykkqdC8Q%3Fwmode%3Dopaque

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9 Antworten zu „Abschied von der Perfektion oder 7 Gründe nicht zu verzweifeln, wenn der Garten einmal aus dem Ruder läuft. Mit Qi Gong“

  1. Claudia

    Ach jaaaa – der bluehende Giersch. Woher kenne ich den bloss? Hmmmmja, genau. Bei mir blueht er auch. Und mir fehlen auch grad ein paar Haende. Da mir aber nun mal keine wachsen, ist Laissez- faire eine sehr gute und entspannende Grundhaltung.
    Viele Gruesse
    Claudia

  2. Gisela

    Ja, im Juni scheint der Garten zu explodieren, das Unkraut hoert selbst bei der Trockenheit nicht auf zu wachsen, aber deine Tipps sind sehr hilfreich. Ich bin auch ein grosser Fan von Qi Gong. Dir eine angenehme Woche!!! Gisela

  3. Topfgartenwelt

    Liebe Dani, dasselbe habe ich mir auch gedacht als wir aus Graz zurueck kamen. War der Garten vorher noch in Ordnung, herrschte danach das totale Chaos. Nun ja, wir sind vorerst beschaeftigt.
    LG Kathrin

  4. Hilda

    Liebe Dani,
    ach wie immer eine zauberhaft geschriebene Story von dir. Und so wahr! Hab mich grad staendig beim Kopfnicken erwischt.
    Im uebrigen hab ich vor Jahren (ich glaube es war 2009) fix beschlossen, dass ich von Ende April bis Ende September keinen Fuss mehr aus meinem Garten setze (zumindest nicht fuer laenger als einen Tag). Ich hab naemlich im Mai 2009 wegen eines Kurztripps nach Suedfrankreich meine gesamte Rosenbluete verpasst ….. eine Dummheit von mir, die ich nie vergesse, hahaha!
    Liebe Gruesse
    Hilda

  5. Dani

    Liebe Gisela,
    freu mich, dass dir die Tipps gefallen.
    Wuensche dir auch eine schoene Woche und hoffe, du findest auch ein bisschen Zeit fuer ein kleine Einheit Qi Gong. Im Garten!
    Liebe Gruesse
    Dani

  6. Dani

    Liebe Claudia,
    mit laissez faire entdeckt man oft auch ungewohnte Gartenbilder, wie den bluehenden Giersch, der neben der Rose diese noch schoener erscheinen laesst. Sieht fast gewollt gepflanzt aus. Jetzt darf er bleiben, aber nur solange er blueht…:)
    Liebe Gruesse
    Dani

  7. Dani

    Liebe Kathrin,
    meine Worte, der Garten ist immer und in allem schneller als wir:) Hoffe, du hast rasch alles in Ordnung bringen koennen und der Garten ist wieder so schoen wie zuvor.
    Liebe Gruesse
    Dani

  8. Dani

    Vielen Dank, liebe Hilda!
    Das ist bitter, auf die lang ersehnte Rosenbluete verzichten zu muessen, weil man auf Urlaub ist. Wir warten ja doch ziemlich lange darauf, bis die Schoenen endlich bluehen.
    Aber ich befuerchte, das passiert jedem von uns irgendwann einmal. Das sind dann immer die Situationen, in denen ich mir wuenschte, ganzjaehrig irgendwo im Sueden zu leben.
    Liebe Gruesse und einen traumhaft schoenen Sommer zuhause!
    Dani

  9. Levi H

    Hello, nice blog

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