Schafgarbe: Vom Mauerblümchen zur Pflanze des Jahres 2021

ICH BIN DANN MAL AUF KRÄUTERWANDERUNG
Täglich eine neue Pflanze zu entdecken und näher kennenzulernen ist das Ziel meiner seit geraumer Zeit laufenden Garten-Challenge.
​Wo, wenn nicht auf einer geführten Kräuterwanderung, lässt sich diese Herausforderung lustvoller abarbeiten? Mit einem Meer an Wildkräutern und wilden Blumen zu Füssen, die alle erkannt werden wollen. So auch die Schafgarbe, die seither meine neue Rose ist. Mit all ihren vielen Namen und ihren magischen Heilkräften.
Viva la Schafgarbe!

GÄRTNERINNEN AUF DEM KRÄUTERPFAD

Die Schafgarbe begegnete mir vor vielen Jahren im Zuge einer Kräuterwanderung, wo ich zum ersten Mal so richtig Bekanntschaft mit ihr machte. Natürlich hatte ich bereits zuvor schon das Vergnügen, hie und da über sie zu stolpern, jedoch hatte sie es nie bis ins Zentrum meines Pflanzenradars geschafft, sondert dümpelte irgendwo am Rande desselben vor sich hin. 
So indifferent sich die Beziehung zur heutigen Pflanze des Jahres einst anließ, so nachhaltig sollte sich diese Begegnung mit der Schafgarbe auf Dauer entwickeln.

Eine weiße Schafgarbe, ein recht unscheinbares Mauerblümchen am Wegesrand, ließ die Kräuterfrau anhalten und sich auf das Kraut mit den tausend Blättern zu stürzen. Mit ihr die gesamte Gruppe von sieben Gärtnerinnen, alle mit schicken Hütchen am Kopf, um sich vor der Sonne zu schützen. Eine jede ein Körbchen am Arm schaukelnd, um auch ja die krautige Ernte von unterwegs einzusammeln und nichts davon womöglich unterwegs zu verlieren. Manche mit Notizblock und Stift in der Hand. Ein paar mit Fotoapparat oder Handy, was zu kleinen Verzögerungen im Bewegungsfluss der Kräutertour führte, denn zuhören und aufnehmen gelingt selten gut auf Anhieb und noch seltener gleichzeitig. Dennoch, man wollte notieren, fotografieren, skizzieren und möglichst alles dokumentieren, was es unterwegs zu bestaunen und erkennen gab.

In dieser geselligen wie aufgekratzten, da wissbegierigen Runde, denn Gärtnerinnen sind ein klassisches Paradebeispiel für die Lust am lebenslangen Lernen, habe ich in späten Jahren die Schafgarbe für mich entdeckt. Merkte gefangen auf, als die grüne Gesellschaft sich durchs Gelände stolpernd langsam einbremste und zum Stillstand kam, um der Kräuterfrau andächtig zu lauschen, was sie über die Staude zu berichten wusste. 

SCHAFGARBE (ACHILLEA MILLEFOLIUM) 

Die Schafgarbe ist eine Pflanze mit vielen Namen, von denen jeder einzelne aus einer anderen Ecke herrührt. Einer der klingenden Namen dürfte seine Herkunft tatsächlich dem Schaf verdanken. Haben doch Schafe die Pflanze mit den tausend Blättern zum Fressen gern und eine Anlehnung an den Lieblingsschmaus des gemeinen Schafes ist somit naheliegend.

Einer weiteren Überlieferung zufolge wurde von einer wundersamen Heilung berichtet, nach der sich kranke Schafe über die Pflanze hermachten und nach einiger Zeit wieder gesundeten. Ob es der Tatsache geschuldet war, dass die Schafe mit oder ohne Schafgarbe wieder fit wurden oder doch dem Umstand, dass die Pflanze die Tiere geheilt hat, ist ungewiss. Ebenso wie die Frage ungeklärt ist, wer oder was zuerst da war, das Schaf oder die Schafgarbe. Es sei dahingestellt.
Nur so viel zur Aufklärung: Die Schafgarbe ist eines der ältesten Kräuter, die uns bekannt sind. Im Iran wurde die Schafgarbe in einem Grab gefunden, das über 60.000 Jahre alt ist und diente dort als Grabbeigabe.

Der Ursprung des Schafes im Pflanzennamen wäre somit geklärt, bleibt nur noch offen, was es mit der Garbe auf sich hat. Doch auch das ist flink gelöst, denn die Garbe leitet sich aus dem Althochdeutschen “garwe” ab, was nichts anderes bedeutet als “heilen”. Somit ist es eindeutig und es handelt sich um ein Kraut, das das Schaf heilt.

ACHILLEA MILLEFOLIUM IN DER ANTIKE

Geht man weiter zurück in der Geschichte, finden sich bereits in der griechischen Mythologie erste Berichte darüber, dass Achilles die Schafgarbe zur Behandlung von Wunden einsetzte. Der bedeutendste griechische Kämpfer im Trojanischen Krieg galt selbst als unverwundbar, bis auf eine einzige Stelle an seinem Körper, seine Ferse. Der Überlieferung nach hat er sich jedoch der Schafgarbe bedient, um die Wunden seiner Soldaten während des trojanischen Krieges zu versorgen.

Heute verwendet man den Ausdruck „Achillesferse“ als Metapher für eine verwundbare Stelle, ein Defizit, einen Schwachpunkt. So dürfte auch die Schafgarbe zu ihrem lateinischen Namen gekommen sein und ist als „Achillea“ bestens bekannt. Millefolium kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie Tausendblatt. Von mille wie tausend und folium wie Blatt.

AUGENBRAUE DER VENUS

Überaus charmant die Bezeichnung der Schafgarbe als „Augenbraue der Venus“, wie sie ebenfalls genannt wird. Dieser Ausdruck rührt daher, dass ihre zart gefiederten Blätter geschwungenen Augenbrauen ähneln.

Wer sich ein solches Tausendblatt, so ein weiterer Name neben Soldatenkraut oder Gänsezunge, nun etwas genauer ansieht, wird vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit des Millefoliums zu den Wedeln des Farns entdecken können. Nur sind die des Farns um Klassen größer, die XXXL Ausgabe eine Schafgarbenblättchen.

Einer weiteren Überlieferung aus Frankreich zufolge, wurden früher kleinen Kindern die zarten Blättchen der Schafgarbe auf die Augen gelegt, um ihnen so zu feinen Träumen zu verhelfen. Praktisch eine Etage tiefer.

Augenbraue der Venus


​STAUDE DES JAHRES 2021: DIE SCHAFGARBE

Die bildhaften Beinamen lassen beinahe schon erahnen, welche Heilkräfte der Schafgarbe nachgesagt werden.

​Der Bund deutscher Staudengärtner hat nun die Achillea Millefolium zur Staude des Jahres 2021 gekürt und die Gründe dafür sind rundum überzeugend und fühlen sich gut und zukunftsträchtig an.

Gerade jetzt im Juli hat die herrlich genügsam und unkomplizierte Wildblume Hochsaison, wächst scheinbar überall, im hügeligen Bergland wie in der Ebene, blüht und lockt Insekten an. Ein richtiger Insektenmagnet, der sich in den schönsten Farben präsentiert.

Die mehrjährige Pflanze gehört zur Familie der Korbblütler, kann je nach Sorte und Standort bis zu einem Meter hoch werden und blüht bis in den September hinein.

Die Staude ist überaus robust und hitzeresistent, was gerade in Zeiten des Klimawandels besonders ins Gewicht fällt und kommt mit längeren Trockenperioden gut zurande. Man findet sie daher auch oft am Wegrand und auf trockenen Wiesen. Dabei gilt die Schafgarbe als Zeigerpflanze und gibt so Hinweise auf die Beschaffenheit der Böden, auf denen sie wächst. Diese sind vorzugsweise trocken und zumeist stickstoffarm.

​Die gemeine Schafgarbe präsentiert sich ganz in Weiß und besticht durch ihre zarten Blätter. Andere wiederum zeigen sich mit blass gelben Tönen oder in kräftig sonnigem Gelb, die sogenannten Goldgarben. Da geht allein schon beim Anblick die Sonne aus. 

Andere wiederum blühen in rosa, pink und orange, eine schöner als die andere.

​Eine ganz besondere Schönheit ist die knallrote Schafgarbe, der ich schon seit Tagen nachjage und von der ich hoffe, sie bald dingfest machen zu können. Bislang war mir das Glück noch nicht hold, eine solche Lady in Red zu fassen. Stattdessen habe ich mich bei den pinkfarbenen Schafgarben ausgetobt und mir eine kleine Kiste voll von den hübschen Stauden aus der Gärtnerei gegönnt. Als wollte ich mir einen Schafgarben Garten anlegen…

HEILKRAFT DER SCHAFGARBE

Was kann die Schafgarbe, was andere Stauden nicht können?

Die Schafgarbe steckt voller Wirkstoffe, die gerne innerlich wie äußerlich Anwendung finden. Daher sollte man beim Ernten darauf bedacht sein, nur die oberen Teile abzuschneiden, so dass die Pflanze unten an den Blattachsen wieder schön austreiben kann und jederzeit Nachschub zur Hand ist.

Sie gilt als das Heilmittel, fast schon als Wundermittel bei Verletzungen und Entzündungen, soll Blutungen stoppen und wird gerne bei Quetschungen und Zerrungen zur Linderung der Beschwerden aufgelegt.

Sie enthält viele Mineralstoffe, die Kraft spenden und belebend wirken. Man kann die zarten Blättchen bereits im Frühling abzupfen und sich beim Spaziergang durch den Garten immer wieder eine kleine, frische Blättchenzeit gönnen.

Um Tee aus der Schafgarbe zu brauen, wird sie im Sommer am Stängel abgeschnitten und kopfüber zum Trocknen aufgehängt. Die ätherischen Öle und Bitterstoffe machen jede Tasse Schafgarbentee zu einer kleinen Kur.

Last but not least ist die Schafgarbe auch bekannt als das Frauenkraut schlechthin und so mag es nicht erstaunen, wenn es in einem alten Sprichwort heißt: 

„Schafgarbe im Leib tut wohl jedem Weib“​

So kann es auch nicht verkehrt sein, dass das Weib diese Zeilen kurz unterbrochen hat, um sich ein Blättchen Schafgarbe aus dem Garten zu holen und sich daran zu laben. Allein der Gedanke an die kräftigende Wirkung verleiht fast schon Flügel.

Fühlt sich gut an, sieht gut aus, viva la Schafgarbe!


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Daniela Cortolezis
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