Das Ende der Erdwespen und warum die Insekten ihre eigene Brut vor die Tür schmeißen

KARAMBA, KARACHO, EIN FLIEGERKleine Flieger im Tigerlook schwirren durch die Gegend, stürzen sich mit vollem Karacho auf alles Süße, dessen sie habhaft werden können und es summt und brummt an jedem Garteneck und Ende.Das klassische Szenario, jeden Sommer das gleiche Spiel.

DIE LETZTE TAGE DER ERDWESPEN

Ein Nest aus Pappmache, so fragil und gleichzeitig unglaublich einbruchssicher. Ein Nest so stark, als wäre es aus Stahl. Ein kleines Nest, das eine ganze Population beherbergen kann. Eine starke Sache!

Anfang November ist es dann vorbei mit der Brummerei und schlussendlich auch mit der ganzen Wespen Kolonie.

Die Überlandflüge sind bis auf ein paar verirrte und verwirrte Insekten weitgehend eingestellt und das Nest leert sich zusehends von Tag zu Tag. Nur noch sehr vereinzelt torkelt der eine oder andere Nachzügler aus den Tiefen des Gartens und stolpert, mehr trudelnd als fliegend, aus dem Erdloch. Versucht im Haus zu landen, dürfte jedoch die Orientierung schon verloren haben und so ist es auch nicht mehr nötig, ihm auszuweichen, da er schon ziemlich fluglahm geworden ist. Zu viel mehr als lautstark gegen die Scheiben zu donnern, ist der Wespennachzügler ohnedies nicht mehr in der Lage.

Ob ihn jetzt die Hunde beißen, ist nicht ganz klar. Glasklar jedoch, dass das Ende naht und den Wespen ins Nest steht!

DIE WESPEN VERLASSEN DAS SINKENDE SCHIFF

Die Natur hat ihren Plan. Und so ist der Abgang der Wespen wenig überraschend, da für diesen Fall vorgesehen ist, dass das Wespennest im Herbst, spätestens im November sein natürliches Ende finden, geschlossen werden soll.

Der Auszug der Wespen beginnt und bald werden alle ihr Quartier verlassen haben.

Freiwillig, aber nicht immer!

DAS DRAMA BEGINNT

Die Tragödie nimmt ihren Lauf, das Ende ist nahe.

Die Königin stirbt, tritt ab. Die Arbeiterinnen sterben und hinterlassen naturgemäß eine große Lücke bei der Pflege der Brut. Die Versorgung im Nest ist nicht mehr gewährleistet, die Larven haben das Nachsehen und bleiben fortan sich selbst überlassen. Was ja nicht gut gehen kann.  

Übrig bleiben jetzt nur noch die Jungköniginnen und die Drohnen, die männlichen Wespen, doch auch sie verlassen, auf der Suche nach einem geeigneten Winterquartier fluchtartig das Nest.

Die Nachwuchsköniginnen werden nicht mehr wiederkehren und suchen gezielt an anderer Stelle Schutz vor Frost und einen sicheren Ort, um den Winter zu unbeschadet zu überstehen. Haben sie erst den idealen Platz für ihr Vorhaben gefunden, fallen sie in eine Art Winterstarre, um erst im nächsten Frühjahr wieder daraus zu erwachen und ihr eigenes Nest zu errichten. Ihren eigenen Wespenstaat zu gründen. An einem anderen Ort.

Der Nachwuchs als Hoffnungsträger, auf der Flucht.

DAS LEERE ERDWESPENNEST

Derart verwaist und verlassen, bleiben die Waben im Nest leer und es kommt, wie es kommen muss. Die ganze Wespenpopulation geht langsam, aber sicher zugrunde.

Doch nicht nur der Wespenstaat geht unter, sondern auch das Nest ist dem Untergang geweiht. Der Zerfall sägt schon an den Waben.

So stark wie Stahl und so beständig ein Erdwespennest auch sein mag, so fragil wird es jetzt um diese Jahreszeit, so dramatisch ist es um das Nest im Herbst bestellt. Dem Untergang geweiht.

Die kalten und feuchten Tage im Herbst setzten dem Wespennest über Gebühr zu, einsetzende und anhaltende Regenschauer sowie erste Minusgrade machen aus jedem Pappmache Gebäude eine feuchte und klamme Behausung, die dem steigenden Wasseraufkommen von oben ohnedies nicht lange die Stirn bieten und standhalten könnte.

Das Nest saugt sich mit Wasser voll und beginnt langsam aber sicher zu schimmeln, Bakterien gesellen sich dazu und der Zersetzungsprozess schreitet unaufhaltsam voran. Die unterirdische Trutzburg wird zum Nässe aufsaugenden Schwamm und das Nest ist im sprichwörtlichen Eimer.

So erklärt es sich auch, dass ein neuerlicher Bezug in der nächsten Saison, eine Rückkehr zum ehemaligen Erdnest gar nicht in Frage kommen kann und für keine Wespe auch nur ansatzweise ein Thema ist. Denn wer würde schon seine Brut einer derart unwirtlichen Stätte aussetzen wollen?

DAS NEST GEHÖRT MIR

Mit der Gewissheit und dem Plan, dass ich baldigst das Wespennest mit eigenen Augen sehen werde, kontrolliere und inspiziere ich nun täglich und voller Neugierde das Einflugloch in der Wiese. Um in der Stunde des Auszuges der letzten ausschwärmenden und nie mehr wiederkehrenden Wespe an Ort und Stelle zu sein. Sozusagen zur richtigen Zeit am richtigen Ort!

Um das verlassene Nest endlich ausgraben und eingehend untersuchen zu können. Die Kamera ist in Bereitschaft, das Fotoshooting kann beginnen.

Das leere Nest ist jetzt meins!

DER RAUSWURF AUS DEM ERDWESPENNEST

Doch zuvor gilt es noch ein Rätsel zu lösen, nämlich das Mysterium der kleinen, weißen Püppchen vor und rund um das Nest. Als würde jemand danach trachten, das Nest aufzuräumen und den ganzen Unrat einer Saison entsorgen zu wollen. Beinahe wie im Mittelalter, einfach aus dem Fenster, respektive vor die Tür geworfen.

Dass es sich bei diesen kleinen Wurfgeschoßen um Wespenlarven handelt, hätte ich anfänglich nie im Leben für möglich gehalten. Aber man lernt zum Glück nie aus!

Was allerdings die Frage nach dem warum noch nicht hinlänglich beantwortet, denn

WARUM LIEGEN PLÖTZLICH TOTE LARVEN VOR DEM WESPENNEST?

Täglich werden es mehr, und wie es aussieht, werfen die Wespen ihre Larven doch tatsächlich aus dem Nest, setzten sie quasi vor die Tür. Ja wo gibt’s denn sowas?

Die Antwort auf diese Frage klingt so bitter wie logisch.
Futternot, sinkende Temperaturen und mangelnde Versorgung schwächen die Larven, die nicht stark genug sind, diesen unwirtlichen Bedingungen im Herbst standzuhalten. Was zur Folge hat, dass sie schwach und schwächer werden, eine nach der anderen zu kränkeln beginnen.

Im Nest selbst dürfte es zu diesem Zeitpunkt schon ganz schön ungemütlich sein, drunter und drüber gehen.

Die Brut muss darben, schwächelt vor sich hin, liegt völlig entkräftet in den Wabengängen oder fällt gleich unvermittelt aus den Zellen.

Um nun keine Seuchen aufkommen zu lassen, versuchen die wenigen, noch verbliebenen Arbeiterinnen, das Schlimmste abzuwenden und beginnen mit dem Rauswurf der Larven aus dem Nest. Tote und kranke Larven werden als erstes entsorgt. Landen vor der Tür, bis es dann im nächsten Schritt den Puppen an den Kragen geht. Zuletzt sind die selbst die gesunden Larven an der Reihe und werden ebenso gnadenlos, wie ihre Geschwister zuvor, einfach kopfüber aus dem Nest geworfen.

Ziel dieser „Aktion scharf“ dürfte die überlebensnotwendige Versorgung der Jungköniginnen und Drohnen sein, die durch diese radikalen Maßnahmen den Weiterbestand der Wespen sichern und gewährleisten sollen.

Wie brutal die Natur sein kann!

DAS SPIEL DER NATUR

Doch kaum endet das Drama der Wespen, wendet sich das Blatt und schon sind Ameisen und Vögel zugegen, für die die toten Larven ein willkommener Leckerbissen sind. Eine wertvolle Herbstjause.

Und so schließt sich der Kreislauf der Natur und alles wird seiner Bestimmung zugeführt.

Die Wespen haben uns für heuer verlassen. Aber sie werden im nächsten Jahr wieder vor der Tür stehen und kleine Flieger im Tigerlook werden durch die Gegend schwirren, sich mit vollem Karacho auf alles Süße, dessen sie habhaft werden können, stürzen und an jedem Garteneck und Ende wird es summen und brummen…

Das Spiel kann von neuem beginnen und alles geht wieder von vorne los…

Ich kann es jedenfalls kaum erwarten, das Nest näher zu untersuchen, werde es bei erster Gelegenheit mit eigenen Händen ausheben und hoffentlich bald ein Bild davon haben, wie Wespen im alten Nest gelebt haben.

Sobald die Regenfälle nachlassen!

M. Claude empfiehlt:

Legen Sie sich nicht mit Wespen an, aber fürchten Sie sie auch nicht.

Ist die Entfernung zwischen Mensch und Wespennest groß genug ist, kann es tatsächlich ein friedliches Miteinander geben. Die Wespen machen ihr Ding und wir Gärtner machen unser Ding.

So geschehen heuer im Garteninspektor Garten, ohne einen einzigen Wespenstich!


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Kommentare

7 Antworten zu „Das Ende der Erdwespen und warum die Insekten ihre eigene Brut vor die Tür schmeißen“

  1. Dani

    Liebe Heidi,
    herzlichen Dank fuer deinen Kommentar. Was fuer ein Kompliment!:)
    Ohne Lehrerin zu sein, tun sich fuer mich immer wieder so viele interessante Themen rund um die Natur auf, die derart spannend sind, dass ich so viel wie moeglich darueber wissen moechte. Um das gesammelte Wissen weitergeben zu koennen. Wenn der daraus resultierende Beitrag dann auch noch mit Vergnuegen gelesen wird, ist das wirklich eine besonders grosse Freude!
    Liebe Gruesse
    Dani

  2. Wiebke

    Hallo,
    ich habe ein Erdwespennest im Garten und habe mich ueber die Larven vor dem Nest gewundert.
    Jetzt weiss ich Bescheid und bedanke mich fuer diese tolle Information.
    Weiter so!
    Liebe Gruesse,
    Wiebke

  3. Dani

    Sehr gerne, liebe Wiebke!
    Sieht man ja auch nicht alle Tage, so ein Spektakel vor dem Wespennest.
    Liebe Gruesse
    Dani

  4. Dani

    Liebe Anita,
    es ist sehr spannend, dem Treiben zuzusehen und mitverfolgen zu koennen, wie alles entsteht.
    Viel Vergnuegen bei den weiteren und hoffentlich sicheren Beobachtungen!
    Liebe Gruesse
    Dani

  5. Anita

    Ja auch ich bedanke mich sehr fuer die tolle Aufklaerung. Allerdings habe ich kein Erdwespen-Nest, sondern meine Wespen bauen fleissig in ein Deko-Vogelhaeuschen auf der Terrasse. Das Gebrumme ist maechtig, aber sie lassen uns in Frieden, auch essen. Ich wunderte mich nur, weil ich heute wieder 3 fette Larven fand und die Wespen sie sogar ein paar Meter abtransportiert haben. Das Nest ist noch nicht fertig, es wird noch am Flugloch gebastelt.

  6. Kriesel, Constanze

    … was fuer ein wunderbarer Blog …
    Weiter so 🙂 und LG Constanze

  7. Helge

    Am 1.9.2020 entdeckte ich, dass das Flugloch der Erdwespen etwas aufgegraben worden war, und etliche Waben lagen leer obenauf. Wer mag dieser unempfindliche Honigliebhaber gewesen sein?

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Daniela Cortolezis
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