Neophyten drängen in unsere Gärten. Einer der wohl bekanntesten Eindringlinge ist das Berufkraut, das den Eindruck erweckt, gekommen zu sein, um zu bleiben. Wer das Unkraut loswerden will, sollte wissen, mit wem man es zu tun hat. Denn die hübschen weißen Körbchen sind wie der Wolf im Schafspelz. Täuschen.
Inhalt
Neophyten: Berufkraut oder Feinstrahl
Zarte Blümchen
Der Nobel-Neophyt, das Berufkraut, eine Vertreterin der invasiven Pflanzen startet ihre Saison im Juni und will einfach kein Ende finden. Lassen Sie sich an dieser Stelle bitte nicht durch diverse Artikel vor dem Berufkraut irritieren. Genau genommen ließe sich die Konfusion sogar noch erweitern, da der Neophyt zudem auf den Namen Feinstrahl hört. Der Feinstrahl…
Das Berufkraut blüht jedenfalls bis Mitte November und blitzt in zartem Weiß und hellem Lila aus dem Gebüsch hervor. Das Berufkraut oder eben der Feinstrahl, wie das zarte Lieschen auch heißt, scheint seine Berufung gefunden zu haben. Von Beruf nicht nur invasives Kraut, sondern auch Blüher. Dauerblüher.
Stark wie ein Baum
Auch wenn es sich um einen Neophyten und somit um eine invasive Pflanze handelt, erfreut das stets leicht zerzauste Unkraut die staunende Gärtnerin. Denn selbst wenn die ersten Fröste hereinbrechen und den Garten mit einer Reifschicht überziehen, die kleine Blumen gnadenlos erfrieren lässt, sind alle rasch weg von der Bildfläche. Bis auf eines. Das Berufkraut. Diese Pflanze trotzt den eisigen Bedingungen und denkt noch nicht daran, zu weichen.
Bei diesem Neophyten handelt es sich um eine invasive Pflanze voller Saft und Kraft, vor allem eiserner Widerstandskraft. Ein Eindringling in unsere heimischen Gärten, der vielerorts gar nicht gerne gesehen wird. Trotz seines gefälligen Äußeren. Doch geht’s hier anscheinend um die inneren Werte dieses Schlingels, der sich völlig ungeniert in unsere heimische Pflanzenwelt hinein drängelt. Um, so wird ihm nachgesagt, alle Kollegen zu verdrängen. Gerade so, als wollte er alle zusammen aus dem Weg räumen.
Aggressive Neophyten
Ist dieses aggressive Vordringen eine Gefahr für die Artenvielfalt in unseren Breiten? Oder geht die Gefahr primär von seinem vermeintlich gefährlich klingenden Namen Neophyt aus? Dabei bedeutet Neophyt nicht mehr und nicht weniger als „Neue Pflanze“.
Neophyten sind Pflanzen, die bei uns nicht heimisch sind, sondern aus Übersee kommen. Pflanzen, die seit der Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 zu uns über den großen Teich herüber geschwappt sind. Entweder mit Absicht eingeführt oder einfach nur versehentlich bei uns gelandet sind. Zufällig gekommen, um zu bleiben.
Invasive Kartoffeln
Doch ist nicht alles gefährlich, was von auswärts kommt. Bestes Beispiel dafür ist unsere heiß geliebte Kartoffel. Sie ist auf keiner Watch List dieser Welt zu finden, obwohl sie alles andere als heimisch ist. Auch sie ist von spanischen Seefahrern aus Peru, Bolivien und Chile mit nach Europa gebracht worden. Und müsste – theoretisch jedenfalls – ebenfalls ausgemerzt werden, folgte man den Empfehlungen der Neophyten-Jäger. Könnte die Kartoffel, oder der Erdapfel, wie die invasive Knolle bei uns in Österreich heißt, doch die Herrschaft über unserer Gemüsepflanzen im Auge haben.
Selbstredend undenkbar. Aber gilt dieses freundliche Entgegenkommen auch für das Berufkraut?
Interessanterweise scheinen hier andere Regeln zu gelten und das zarte und entzückend anmutende Pflänzchen, eine gelungene Mischung aus Gänseblümchen, Kamille und Mini-Margerite, soll ausgerottet werden. Weil gefährlich. Dabei ist es so nett anzusehen. Mal im weißen Kleid, dann wieder in Lila, wie gerade auch dieser Tage, im späten November.
(Un)Giftige Neophyten
Worin aber lauert nun die tatsächliche Gefahr des kleinen Gegners auf hohen Stängeln im Garten?
An dieser Stelle darf sogleich Entwarnung gegeben werden: Des Blümchens Blüten sehen so harmlos aus wie sie es auch ist. Ungiftig!
Im Gegensatz zu anderen Neophyten, wie dem Bärenklau, der Allergien auslösen und zu Verbrennungen wie Vergiftungen führen kann. Lesen Sie auch hier.
Das Berufkraut ist mehr in Hinblick auf unsere einheimischen Pflanzen nicht ganz ungefährlich, da Sorge besteht, dass diese durch seine Ausbreitung irgendwann gänzlich verschwinden könnten. Besonderes Augenmerk wird dabei auf Weiden und Wiesen gelegt, wo sich der Neophyt tendenziell stark verbreiten kann, heimische Arten von der Bildfläche verdrängt und so zu einer Bedrohung für hiesige Kulturpflanzen werden könnte.
Ein Dilemma für alle, die großen Gefallen an den kleinen weißen Blüten gefunden haben und mit sich hadern, wenn es darum geht, den kleinen Blühern an die Wurzel zu gehen.
Soll ich oder soll ich nicht? Ausreißen oder die zarten Riesen in Ruhe blühen lassen? Warten, bis es kalt wird und sie den frostigen Garten wie kleine Glühwürmchen punktuell zum Leuchten bringen? Dadurch Gefahr laufen, bald nur noch Berufkraut blühen zu sehen. Da ist guter Rat teuer.
Ich bringe es allerdings nicht übers Herz, den zartbesaiteten Blümchen brutal den Kragen umzudrehen. Doch sollte mir eines Tages das Berufkraut zum unliebsamen Unkraut werden, das mir über den Kopf zu wachsen droht, kann ich es ja noch immer abmurksen. Bis dahin allerdings darf das gefiederte Kräutlein entspannt dem Winter entgegenwachsen. Denn dieser macht dem invasiven Treiben irgendwann ohnedies ein Ende. Heuer.
Love it or eat it
Zu meiner großen Freude habe ich bei meiner Kollegin Karin Greiner, der Pflanzenexpertin aus Bayern, eine durch und durch attraktive Lösung für mich gefunden, mit dem Berufkraut in freundlicher Koexistenz zu leben. Mich an ihm sehenden Auges zu delektieren und falls mich der Hunger überrollt, mich direkt daran zu laben.
Gibt es doch im Garten auch noch eine ganz andere Methode, um dem Überangebot an Berufkraut Herr zu werden. Frei nach der alten, aber guten Gärtnerregel: „Love it or eat it“. Wenn es mir eines Tages einfach zu viel werden sollte, esse ich es einfach auf. Da kenne ich nichts!
Oft ist die Lösung so einfach, wie gut. Es munde nämlich ausgezeichnet, sagt man ihm jedenfalls nach. Besonders schmackhaft sollen die Blütenköpfchen sein, die eine gewisse Schärfe und Würze in Speisen wie Grillgemüse, Eierspeisen und – man lese und staune – in Kartoffelgerichte bringen.
Somit schließt sich der Kreis. Die Neophyten sind überall.
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