Die Sofagärtnerin: Ein Leben zwischen Garten und Buch

Was bringt eine leidenschaftliche Gärtnerin dazu, zur Sofagärtnerin zu werden, und wie verbindet sie die Welt der dreckigen Fingernägel mit der literarischen Welt des Gärtnerns? Wieviel Gärtnerin und vor allem wie viel Garten steckt in ihr? Ein spannender Ansatz mehrdimensional zu Gärtnern. Die Sofagärtnerin im Interview.

Wer ist eigentlich die Sofagärtnerin?

Aprilwetter vom Schlechtesten, doch die Dinge stehen gut. Gut für mich und mein Vorhaben, die Sofagärtnerin zum Interview zu bitten. Warum gut? Bei diesen Temperaturen erhoffe ich mir, sie noch genau dort anzutreffen, worum es auch hier im folgenden Interview mit der Allroundgärtnerin gehen wird. Bei ihr zuhause in der Schweiz, auf ihrem Sofa. Denn Daniela Grass, auch bekannt als Die Sofagärtnerin, verbringt ihre Zeit nicht nur auf dem Sofa und in ihrem Garten, sondern auch auf Gartenreisen. Wo immer sie einen herrlichen Garten ausmacht, will sie hin.

Der überraschende Wintereinbruch und Minusgrade indes spielen mir in die Karten und ich könnte Glück haben, ja rechne mir die besten Chancen aus, sie vor Ort, gut geschürzt und vor Wind und Wetter geschützt in ihrem Garten, maximal auf Gartenrundgang oder an ihrem zweiten Arbeitsplatz, dem Sofagärtnerinnen Sofa zu erreichen.

Tatsächlich war mir das Glück hold, es hat geklappt und wir finden uns ein zum Interview. Doch zuvor gilt es noch zu ergründen, was Sofagärtnern eigentlich ist.

Leibspeise Gartenbücher

Was ist eine Sofagärtnerin? Der erste Gedanke mag vielleicht täuschen. Könnte er doch zu der Annahme führen, es handle sich dabei um eine Gärtnerin, die vom vom Sofa aus gärtnert. Aber wie soll das denn gehen?

Dies wiederum weckt in mir Assoziationen zum alten Rom und Julius Caesar, der ausgestreckt auf seinem Divan lehnt und sich eine Traube um die andere in den Mund und zu Gemüte führt. So meine Vorstellung davon, sofazugärtnern. Mit der kleinen Ausnahme, dass die Traube durch das Buch ersetzt wird. Versteht sich.

Ein vortreffliches Beispiel dafür, wie sehr wir manchmal im Alltag an den Buchstaben festkleben und uns hie und da auch in die Irre führen lassen. Oft ein bisschen unflexibel. Da fällt auch der weise Spruch: „Glaube niemals, was du denkst“, nicht ganz zufällig vom Himmel. Zumindest, nicht alles, was du denkst. Vielleicht auch nur ein Wortverdreher und das Original lautet ohnedies „nicht alles“.

Wie dem auch aus sei, Daniela Grass mag uns an dieser Stelle aufs Glatteis führen. Lässt uns über der Sofagärtnerei grübelnd im Garten zurück. Sie indes hat sich aufs Sofa zurückgezogen und begonnen zu lesen, denn Gartenbücher sind ihre Leibspeise und dafür lässt sie auch einmal fünf gerade sein. Köstlich auch die Vorstellung, über den Garten zu lesen und sich dann vom gartenumflorten Sofa zu erheben, um hinaus zu gehen, um zu gärtnern. Und wieder retour. Eine wunderbare, ja nachahmenswerte Methode, die Schönheiten der Gartenwelt en gros und en detail zu erleben. Achtsam und ganzheitlich.

Interview mit der Sofagärtnerin Daniela Grass

“Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen”

(Marcus Tullius Cicero)

Liebe Daniela, was war zuerst, das Buch oder der Garten?

Das Buch. Es sei denn, die Aussaaten von allerlei Kernen und Samen im Kinder-/Jugendzimmer der 1980er Jahre, für die teils erst im Lebensmittelgeschäft exotische Früchte beschafft wurden, werden berücksichtigt. Oder die ehemalige Fuchsiensammlung (ca. 35 verschiedene Sorten) auf einem Ostbalkon, von der nur noch die Fuchsienbücher-Sammlung übriggeblieben ist.

Wie hat alles begonnen und wie bist du zur Sofagärtnerin geworden?

Vor rund fünfzehn Jahren hatte ich vorübergehend ein tieferes Arbeitspensum und angefangen, Buchvorstellungen für das Vivace, die Mitgliederzeitschrift der Gesellschaft Schweizer Staudenfreunde, zu verfassen. Damit einher wurden mir plötzlich von verschiedenen Verlagen Rezensionsexemplare von Gartenbüchern zugestellt. Diese Bücher passten oft thematisch nicht und es waren auch viel zu viele, um sie im Vivace zu berücksichtigen. Ich habe dann spontan beschlossen, einen Blog zu einzurichten. Ein kurzes Brainstorming hat mich auf den Namen „Die Sofagärtnerin“ als meine freie Übersetzung des englischen Begriffs «Armchair Gardener» gebracht. Googeln ergab keinen Anlass, von der Idee abzurücken – seinerzeit wurde nämlich gerade mal ein einziges Suchergebnis angezeigt (von einem Karnelvalswagen mit Sofagärtnern, wenn ich mich richtig erinnere). Etwas länger als die Namensfindung dauerte das Durchlesen bzw. Abklären von etwelchen (z.B. rechtlichen) Konsequenzen, die sich aus dem Bloggen ergeben könnten.

Von Büchermenschen

Nach welchen Kriterien wählst du die Bücher aus, die du auf deinem Blog vorstellst?

In den letzten fünfzehn Jahren haben sich einerseits meine Lese-Vorlieben teilweise verändert, anderseits steht neben Job, Familie, Garten und anderen Verpflichtungen und Interessen auch nur beschränkt Zeit fürs Bloggen zur Verfügung. Mein Blog soll werbefrei bleiben und ich will keine Einnahmen daraus generieren. Ich schreibe ausschliesslich über Bücher, die ich von der ersten bis zur letzten Seite gelesen habe und inzwischen nur noch über Bücher, die ich selber gekauft oder die ich mir ausgeliehen habe. Ich fokussiere mich aktuell prioritär auf Gartenromane und Gartenkrimis und Unterhaltsames zu Garten und Hortikultur, nämlich auf Geschriebenes, das ich auf dem Arbeitsweg im E-Reader lesen kann. Grossformatige Bildbände schaffe ich kaum mehr an. Einerseits aus Platzmangel auf dem Bücherregal und anderseits werden in diesen Publikationen häufig immer wieder die gleichen Gärten vorgestellt. Während ich früher oft Bücher ohne genauere Inhaltsangabe gekauft habe, einzig aufgrund von gewissen zum Sofagärtnern passenden Stichworten, die ich bei der Internetsuche eingegeben habe, bin ich heute wählerischer. Sowohl meine begrenzte Lesezeit, mein Budget für Buchkäufe als auch meinen Blog will ich prioritär mit Lektüre füllen, an der ich Freude habe. In letzter Zeit lese ich vermehrt englische Bücher über botanische Exkursionen in abgelegenen Regionen.

Gibt es inspirierende Persönlichkeiten, AutorInnen oder GärtnerInnen, die dich begeistern und die Einfluß auf deine Arbeit beim Sofagärtnern haben?

Mein Sofagärtnern hat vor über dreissig Jahren mit der Entdeckung von drei deutschen Beverley Nichols-Taschenbüchern („Grosse Liebe zu kleinen Gärten“, „In ein Haus verliebt“,“ Das Dorf im Tal“) in einer nicht mehr existierenenden lokalen Buchhandlung begonnen. Schnell musste da mehr ähnliches Lesefutter her und ich bin auf Richard Katz („Übern Gartenhag“), Eugen Skasa-Weiss („Blühendes Leben“, „Heitere Botanik“), Jo Hanns Rösler („Der unvollkommene Gärtner“), Johannes Roth oder Jürgen Dahl gestoßen.

Auf Deutsch war die Ausbeute zunächst eher eingeschränkt und in der Vor-Internet-Zeit war das Stöbern nach meiner Lieblingslektüre noch nicht so einfach wie heute. Ich habe dannzumal in der Zeitschrift „Mein schöner Garten“ einmal ein Inserat aufgegeben und nach Lesetipps gesucht und tatsächlich einige interessante Rückmeldungen erhalten. Dannzumal habe ich mich anscheinend noch einfacher von Dingen getrennt, denn die Karten und Briefe habe ich (aus heutiger Sicht leider) weggeworfen.

Schliesslich habe ich mit dem Lesen von englischen Büchern angefangen. So wurden die Bücherreihen ergänzt mit Literatur von Vita Sackville-West, Christopher Lloyd, Beth Chatto und den dannzumal auf Deutsch fehlenden Büchern von Beverley Nichols. Mit der Entdeckung der beiden Sammelbände der ersten Hortus-Ausgaben von David Wheeler („By Pen and by Spade“, „The Generous Gardener“) eröffneten sich dann ganz neue, gewissermassen fast unendliche Gartenbücherwelten.

Hat das Bloggen über Gartenbücher dein eigenes Leseverhalten verändert und wenn ja, wie?

Heutzutage kann ich Neuerscheinungen über noch mehr geheime Gärten (meistens) widerstehen, sondern kaufe nur noch gezielt Themenbücher. Wenn ich etwa im Garten gerade eine Heuchera– oder Ilexphase durchmache oder mehr über Bodendecker wissen will.

Welches Gartenbuch hat dich zuletzt besonders begeistert und warum?

„The Complete Book of Ground Covers“ von Gary Lewis nehme ich immer wieder zur Hand. Es bietet eine schier unendliche Menge an Informationen zu Bodendeckern. Ein Thema, das für meinen ziemlich voll bepflanzten Garten immer aktuell ist. Daneben freue ich mich immer über Fortsetzung von lieb gewonnenen Gartenkrimi-Reihen wie zuletzt „Je dichter der Nebel“ von Mary Ann Fox.

Gibt es Bücher, die du immer wieder gerne zur Hand nimmst?

Früher habe ich meine Lieblingsbücher mehrfach gelesen, z.B. „Auf der Jagd nach dem grünen Gold“ von Tyler Whittle und sogar die über achthundert Seiten von „Der Paradiesgarten“ von Eva Maaser. Da die vorhandene Lesezeit überhaupt nicht kompatibel ist mit den ungelesenen Büchern, nehme ich heutzutage selten Bücher zur Hand, die ich schon einmal gelesen habe.

Hast du ein Lieblingsbuch, das du Garteninteressierten gerne empfehlen würdest?

Das wechselt oft und erfahrungsgemäss entspricht mein Lesegeschmack oft weniger den Trend oder den Bestsellerlisten. Wer regelmässig in meinen Buchempfehlungen stöbert, merkt sicher, welche Bücher mir beim Lesen mehr gefallen haben als andere.

Welches Buch liegt gerade auf deinem Sofatisch?

Ich lese immer mehrere Bücher parallel, im Moment unter anderem

  • „Gärtner der Nation – Die vier Leben des Karl Foerster von Clemens Alexander Wimmer,
  • „Right Plant Right Place: Beth Chattos Ideen für nachhaltig bepflanzte Gärten”,
  • «Lasst uns beeten» von Alexandra Lehne,
  • „Steppes – The plants and ecology oft he world‘s semi-arid regions“ von Michael Bone, Dan Johnson u.a.,
  • „Gärten, Gift und grosse Liebe“ von Klaudia Blasl und
  • „Why Women grow – Stories of Soil, Sisterhood and Survival“ von Alice Vincent.

Büchermenschen können sich kaum von ihren Schätzen trennen. Solange, bis der Zeitpunkt da ist, an dem das Regal aus allen Nähten platzt. Wie viele Gartenbücher stehen aktuell in deiner Bibliothek und hast du Tipps für das Loslassen, das behutsame Aussortieren von Büchern, um Platz für Neues zu schaffen?

Meine Bücherliste und die Regale umfassen Hunderte von Büchern. Leider bin ich sehr unentschlossen, was das Aussortieren von Büchern betrifft. Ich schaffe es nicht einmal ohne Probleme, Bücher auszusortieren, die mir nicht gefallen. Da die Platzverhältnisse inzwischen prekär sind, kaufe ich halt fast keine Bücher mehr in Papierform.

Über die Lust zu Sammeln

Neben deiner Lust, Gartenliteratur zu verschlingen, bist du auch dem Sammeltrieb verfallen, wie du mir vor einiger Zeit verraten hast. Was außer Büchern sammelst du noch und wie haben sich deine Sammlungen im Lauf der Jahre entwickelt?

Im Laufe der Jahre kamen da ein paar Dutzend Gartenfilme zusammen, und auch etliche Magnete und Blechschilder mit hortikulturellen Motiven.

Auf Pflanzenmärkten halte ich Ausschau, ob ich einen Plant Mister  (Pflanzensprüher aus Glas, die es in vielen Modellen gibt) finde, der meine Kollektion ergänzen könnte.

Und in ausländischen Buchhandlungen nach fremdsprachigen Ausgaben von Frances Hodgson-Burnetts Klassiker „Der geheime Garten“. Ab März/April 2020 wurde das eine oder andere schöne Blumenladen-Puzzle angeschafft und die Lego Botanical-Collection hat auch so manche Stunden ausgefüllt, in denen Reisen und Ausflüge nur beschränkt möglich waren.

Auf Gartenreise

Du reist nicht nur in Büchern quer durch alle Gärten dieser Welt, sondern bist auch im Leben außerhalb der Buchdeckel eine Gartenreisende. Gab es eine ganz besondere Reise, die dir in unvergesslicher Erinnerung bleiben wird?

Ein unvergessliches Erlebnis war die Teilnahme an meiner ersten geführten Gartenreise im Herbst 2017. Das war eine Forumsreise nach England, zusammengestellt und organisiert von Iris Ney und Mitgliedern des Forums Pur, wo ich nur mitlese und sehr selten etwas schreibe. Ich hatte mich da alleine angemeldet und kannte vor der Abreise keinen einzigen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer persönlich. Mit einzelnen Reisenden habe ich immer noch Kontakt und mit einigen Mitreisenden konnte ich mich kürzlich an den Mannheimer Schneeglöckchentagen wieder einmal persönlich austauschen.

Welche Gärten möchtest du unbedingt irgendwann einmal besuchen?

Das lasse ich auf mich zukommen. Gärten und Gärtnereien der Niederlande würde ich gerne einmal erkunden. Und vielleicht einmal eine botanische Reise ohne zu viele Höhenmeter, die zurückgelegt werden müssen.

News und Trends in der Gartenliteratur

Welche Trends siehst du aktuell in der Gartenliteratur?

Im Moment dreht sich Vieles um den Klimawandel, insektenfreundliches Gärtnern und Zimmerpflanzen. Über letztere gibt es nicht nur viel zu lesen zwischen Buchdeckeln, sondern sehr informative Instagram-Accounts.

Gibt es Neuerscheinungen, auf die du besonders gespannt bist? Ich freue mich besonders auf den oder besser die nächsten Gartenkrimi(s) von Martina Parker.

Haben Blogs deiner Meinung nach die gleiche Tiefe und Qualität wie Bücher?

Das ist sehr unterschiedlich und hängt stark davon ab, wieviel Herzblut und Zeit der Betreiber oder die Betreiberin investiert. Sehr viele Blogs, die ich früher gerne gelesen habe, sind verschwunden oder sind nur noch mit Fokus auf Bildern und Reels auf Instagram oder anderen Kanälen oder haben sich auf Podcasts verlegt.

Wie siehst du die Rolle von digitalen Formaten im Vergleich zu gedruckten Gartenbüchern?

Grundsätzlich habe ich als haptischer Mensch lieber ein richtiges Buch in den Händen als den E-Reader. Aber nach langer Weigerung, mich mit diesem Medium anzufreunden, habe ich für mich auch die Vorteile der digitalen Bücher entdeckt. Schade finde ich es, wenn ich als Konsument nicht mehr die Wahl habe, wie etwa bei Greenprints. Ab der ersten Ausgabe habe ich alle Ausgaben auf dem Bücherregal stehen und mich auch nach über zwanzig Jahren als Abonnentin auf die quartalsweise erscheinenden Geschichten über die menschliche Seite des Gärtnerns gefreut. Nach einem Besitzerwechsel wird die amerikanische Publikation leider nicht mehr auf diese Seite des Atlantiks verschickt, sondern ist nur noch digital erhältlich.

Gibt es eine Gartenbuch-Community, eine Art Buchklub für GärtnerInnen?

Darüber ist mir nichts bekannt. Früher gab es einmal ein Gartenliteratur-Forum. Willst Du einen (mit-)gründen? “Gute Idee, Daniela, lass uns darüber sprechen.

Ein perfekter Tag

Zum Abschluss noch einmal zurück in die Natur. Wie sieht für dich ein perfekter Tag im Garten aus?

Ich mag es gern, meinen Garten vom Wohnzimmer aus zu betrachten. Insbesondere in den Wintermonaten kann ich mich nicht satt sehen an den leuchtend roten Farben der Cornusrinden und den bei schönem Wetter im Gegenlicht leuchtenden roten Blättern von Bergenien und Heucheras. Aus dieser Distanz kann ich auch ganz gut ignorieren, was draussen alles erledigt werden sollte. In wärmeren Jahreszeiten schliesse ich den Tag gerne auf einem Sitzplatz mit einer guten Lektüre ab.    

Herzlichen Dank für das Interview!

Mehr über Gartenbücher und HortikulTour finden Sie auf hier bei der Sofagärtnerin.


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Daniela Cortolezis
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